Erstens kommt es anders ... (German Edition) by Jung Kera

Erstens kommt es anders ... (German Edition) by Jung Kera

Autor:Jung, Kera [Jung, Kera]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-07T00:00:00+00:00


s war ein höchst eigenartiges Gefühl, das Stevie beim Betreten des Büros an einem kühlen Januarmorgen beschlich.

Kein Geräusch unterbrach die aufdringliche Lautlosigkeit, keine tiefe, gelassene Stimme, sprach mit irgendwem am Telefon. Nicht einmal das verhaltene, kaum wahrnehmbare Summen der Monitore vibrierte im Raum. Dass es überhaupt existiert hatte, fiel ihr erst jetzt auf, als es plötzlich fehlte. Tatsächlich herrschte Totenstille.

Zögernd zog sie den Mantel aus und setzte sich wie üblich hinter ihren Schreibtisch. Als sie eher zufällig aufsah, erstarrte sie in der Bewegung und ihre Augen wurden groß.

Stevies Chef saß an seinem Arbeitsplatz. Durch die offenstehende Tür seines Büros befanden sie sich beinahe vis-à-vis. Soweit war alles wie immer.

Aber auch nur soweit.

Denn als sie ihr »Guten Morgen, Sir!« verlauten ließ, etwas gedämpfter heute, wenngleich sie nicht wusste, weshalb, sah er nicht auf. Er hielt den Kopf gesenkt, wirkte wie versteinert und schien seine Hände, die flach auf dem Tisch lagen, einer aufmerksamen Betrachtung zu unterziehen.

Nach fünf Minuten Schweigen wurde Stevie langsam nervös. An Arbeit war nicht zu denken, denn hier stimmte tatsächlich überhaupt nichts. Irgendetwas war geschehen. Diese fremde, beängstigende Atmosphäre, Michaels untypisches Verhalten, die laute Stille - all das sagte ihr, dass sie gerade unfreiwilliger Zeuge einer Katastrophe wurde.

Und als auch nach weiteren zwei Minuten nicht die geringste Regung aus dem Nachbarzimmer erfolgte, erhob sie sich, beinahe wie im Traum und durchquerte den Raum. Unschlüssig verharrte sie im Türrahmen. »Sir ...?«

Keine Reaktion.

»Mr. Rogers?«

Auch das wurde ignoriert, und Stevie litt inzwischen an ernsthaften Beklemmungen. Sie wusste nicht sehr viel über diesen Mann. Seltsam, dass ihr das gerade in einem solchen Moment aufging, doch eigentlich war er ihr noch immer sehr fremd. Allerdings bildete sie sich ein, mittlerweile einschätzen zu können, dass ihn so schnell nichts erschüttern konnte. Sicher neigte er dazu, sich über Kleinigkeiten unangemessen zu echauffieren. Das entsprach seiner aufbrausenden, manchmal hitzigen Mentalität. Doch er gehörte nicht zu jenen Menschen, die sich von den geringsten Schwierigkeiten aus der Bahn werfen ließen. Was geschehen musste, um ihn derart zu paralysieren, wollte Stevie im Grunde überhaupt nicht erfahren. Ihn in dieser Verfassung zu sehen genügte bereits, um ihr zuzusetzen. Doch es ließ gleichfalls die von ihr so verbissen eingehaltenen Umgangsregeln für einen kurzen Augenblick jede Wirkung verlieren. Logisches und wohlkalkuliertes Handeln existierte nicht länger. Mit anderen Worten: Miss Grace machte soeben ihren Abgang und ließ Stevie auf die Bühne.

»Michael!«

Abrupt sah er auf, der tote Ausdruck in seinen Augen ließ sie unwillkürlich einen Schritt auf ihn zugehen. »Was ...?«

Müde schüttelte er den Kopf, konzentrierte sich erneut auf seine Hände und das gefürchtete Schweigen trat wieder ein. Es dauerte sehr lange, bevor er abermals aufsah. »Schließe die Tür!« Das klang heiser und war keineswegs der Ton, den sie von ihm gewohnt war.

Weder stellte Stevie eine Frage, noch sagte sie überhaupt etwas. Stattdessen trat sie in den Raum, schloss wie ihr geheißen die Tür und setzte sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch. Ewigkeiten vergingen, in denen Michael sie mit diesem fremden, toten Blick musterte und als er unvermittelt Luft holte, fuhr sie zusammen. »Ich denke, du solltest es erfahren.



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